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Im Fokus: CRIEC-Tagung 2024

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Arbeitsmarktnahe Eingliederung: Win-Win-Situation bei der Zusammenarbeit zwischen dem ersten und dem zweiten Arbeitsmarkt?

Mehr als hundert Teilnehmer*innen aus der ganzen Westschweiz kamen in den Räumlichkeiten des SAH Wallis in Sitten zu einem Tag zusammen, der dem Austausch und der Reflexion über die Praktiken der Zusammenarbeit zwischen den Akteuren des ersten Arbeitsmarktes und denen der arbeitsmarktnahen Eingliederung gewidmet war.Die Veranstaltung wurde von der Commission romande d’insertion par l’économique (CRIEC) von AIS organisiert, die sich Fragen im Bereich des sozialen Unternehmertums in der Arbeitsintegration widmet. Sie zeichnete sich sowohl durch reichhaltige Diskussionen als auch durch die Qualität der Vorträge aus. Dieser Artikel bietet eine Zusammenfassung der wichtigsten Themen, die an diesem Tag besprochen wurden, und stellt diese gleichzeitig in einen Kontext. Der Erfolg der Veranstaltung war auch dem herzlichen Empfang und dem Engagement der Mitarbeiter*innen des SAH Wallis zu verdanken, die einen wesentlichen Beitrag zu deren Gelingen geleistet haben.

Der Sektor der arbeitsmarktnahen Eingliederung hat sich in der Schweiz seit Anfang der 2000er Jahre stark entwickelt. Zertifizierende Ausbildungen, Praktika oder auch integrierte Werkstätten – die Eingliederung hat sehr unterschiedliche Formen angenommen, die jedes Mal eine andere Beziehung zum Arbeitsmarkt voraussetzen. Die Zusammenarbeit mit den Unternehmen ist jedoch nach wie vor experimentell, sehr lokal oder sogar fallbezogen.

Im Gegensatz zu Frankreich, die mit der zentralen Einführung der Sozialklausel zur Eingliederung in den 1990er Jahren die Unternehmen, die sich um öffentliche Aufträge bewerben, dazu verpflichtet, Eingliederungsstunden zu „kaufen“, scheint die Schweiz im Bereich der arbeitsmarktnahen Eingliederung sehr wenig institutionalisiert zu sein. Dies lässt einerseits Raum für Innovationen, wirft aber andererseits eine Reihe von übergreifenden Herausforderungen auf, die klare institutionelle Antworten erfordern.

Welche Modelle der Zusammenarbeit zwischen dem ersten und zweiten Arbeitsmarkt und den Vermittlungsstellen sind also möglich? Welches sind die zentralen Herausforderungen dieser Erfahrungen, die heute in der Schweiz spürbar sind?

Die Galaxie der Modelle der arbeitsmarktnahen Eingliederung

Am Ende dieses Tages können wir feststellen, dass die Galaxie der Massnahmen zur Förderung der beruflichen (Wieder-) Eingliederung heute von den Einrichtungen des zweiten Arbeitsmarktes ausgeht und sich in einem Kontinuum bis in den Kern des ersten Arbeitsmarktes erstreckt.

Personen ausserhalb des Arbeitsmarktes frühzeitig vorbereiten

Das erste Modell ist das der Sozialunternehmen, das darauf abzielt, den Erwerb und die Entwicklung der auf dem Arbeitsmarkt geforderten Kompetenzen zu fördern, allerdings in einem separaten Rahmen, der als „zweiter Arbeitsmarkt“ bezeichnet wird. Daher müssen Sozialunternehmen die Rahmenbedingungen ihrer Arbeit ständig an die fachlichen Erwartungen der Branchen, die sie vertreten, anpassen. Sie stehen auch im Zentrum zahlreicher, manchmal widersprüchlicher Anforderungen, wie Luis Vaudan-Bellaro von SAH Wallis aufzeigen konnte:

„Kontinuierliche Produktion von Gütern und Dienstleistungen, wobei die im Sozialunternehmen beschäftigten Personen so schnell wie möglich in relativ kurzer Zeit in den Arbeitsmarkt integriert werden sollen; Gewährleistung einer sehr regelmässigen Aktualisierung der Produktionsanlagen, um mit begrenzten finanziellen Ressourcen auf die Herausforderungen reagieren zu können; qualifizierte Führungskräfte zu finden, die sowohl über die technischen als auch sozialen Kompetenzen verfügen, usw.“.

Aus derselben Perspektive schlägt COREM Siders, vertreten durch Céline Splivalo, vor, dieKlient*innen in mehreren Etappen auf eine Zertifizierung im Pflegebereich vorzubereiten. Dies ist insbesondere für Migrant*innen ein idealer Weg, indem sie durch Französischkurse in Zusammenarbeit mit dem Roten Kreuz und den Pflegeheimen auf den Eintritt in eine Ausbildung vorbereitet werden. Ein ähnliches Modell, das in Zusammenarbeit zwischen dem Kanton Wallis, insbesondere dem Amt für Asyl und der Hotel & Gastro Ausbildung eingeführt wurde, fördert die „Institutionelle Anerkennung der Berufspraxis“. RI-PP auf Französisch ist zwar kein sehr glückliches Akronym, wie Stève Delasoie, Präsident von Hotel & Gastroausbildung Wallis, einräumte, aber es bezeichnet eine massgeschneiderte Zertifizierung im Service und in der Küche, um die Integration prekärer Bevölkerungsgruppen, die auf Arbeitssuche sind, zu erleichtern.

Interventionen auf der Angebotsseite

Die zweite grosse Form der arbeitsmarktnahen Eingliederung besteht darin, durch die Einführung flexibler und zielgerichteter Massnahmen, an denen häufig Eingliederungsorganisationen, Unternehmen und der Staat beteiligt sind, in das Arbeitsangebot einzugreifen.

Dies ist der Fall bei dem von Evelyne Imbalzano und Dominique Wohlhauser vorgestellten Programm «Praktikant*innen in Übergangsphasen», das 2009 von der COOP ins Leben gerufen wurde und sich an Jugendliche richtet, die Schwierigkeiten in der Schule und/oder beim Einstieg in den Arbeitsmarkt haben. Dieses Programm bietet im Rahmen von 10 Monaten bezahlter Praktika einen umgekehrten Weg zur Ausbildung. Am Ende dieser Berufserfahrung ist es das Ziel, dass die Jugendlichen eine Lehrstelle erhalten, die von COOP garantiert wird, wenn die Person das Praktikum erfolgreich abschliesst. Job Service koordiniert diese Massnahme im Kanton Neuenburg und arbeitet mit dem Kanton und den Berufszentren zusammen, um Vorbereitungskurse für den Eintritt in eine Berufslehre einzurichten.

Um dem Personalmangel im medizinischen Verwaltungsbereich vorzubeugen, stellte Christelle Krieg die CEAA-Massnahmen des CHUV in Zusammenarbeit mit dem Kanton Waadt vor. Letzterer finanziert die zehnmonatige duale Ausbildung von Personen, die Sozialhilfe beziehen, mit einem im Krankenhaussystem anerkannten internen Ausbildungszertifikat und einer anschliessenden Anstellung.

Prolog-emploi schliesslich ist als Eingliederungsorganisation im Sozial- und Gesundheitsbereich des Kantons Waadt tätig und bietet zehnmonatige befristete Verträge (CDD) für Sozialhilfeempfänger*innen an. Der Staat finanziert die Begleitung und Einstellung der von der Eingliederungsmassnahme betroffenen Personen im Vorfeld, und ein von den Organisationen der Branche gespeister Fonds finanziert die Löhne.

In allen drei Beispielen ist die Steuerung der Systeme gemischt und berücksichtigt die Vorgaben der verschiedenen Netzwerkpartner.

Erweiterung des HR-Bereichs

Die Sorge um die Eingliederung, sei es bei der Einstellung neuer Mitarbeiter*innen oder bei der Frage der Weiterbeschäftigung (z.B. bei gesundheitlichen Problemen), ist in den Unternehmen des ersten Arbeitsmarktes immer wichtiger. Dieses Anliegen führt zu Eingliederungsprojekten, die häufig in Form einer Ausweitung der HR-Abteilung auf die Frage der Eingliederung ausgestaltet sind. Je nach Bedarf werden Kooperationen mit staatlichen oder halbstaatlichen Einrichtungen geknüpft.

Dies ist der Fall bei einer zweiten Initiative des CHUV, die von Christelle Krieg vorgestellt wurde. Die sogenannte Wiedereingliederungseinrichtung interveniert rasch bei gesundheitlichen Problemen von Mitarbeiter*innen, die sich insbesondere durch eine längere Abwesenheit von der Arbeit bemerkbar machen. Dieser Ansatz versucht, die Bedingungen für eine Rückkehr an den Arbeitsplatz zu schaffen, indem je nach Situation ein Netzwerk von Partnern mobilisiert wird (AI, Pensionskasse, Arbeitsmedizin, Ergonomie, Arbeitspsychologie, Mediation usw.).

In die gleiche Richtung geht die Präsentation von Simon Ammann von MIGROS, der ebenfalls aufzeigt, wie das Unternehmen die fehlende IT-Kompetenzen seiner Angestellten durch Weiterbildungen bekämpfen kann, um deren Disqualifizierung und den Ausschluss aus dem Arbeitsmarkt zu verhindern.

Das von Philippe Curty vorgestellte Modell der Herstellung von elektrischen Schalttafeln durch Gruppe E und die Einrichtung einer internen Abteilung für Menschen mit psychischen Behinderungen als Zulieferer ist das letzte Modell zur Ausweitung der Rekrutierung. Das CISP von Freiburg, vertreten durch seine Direktorin Elisabeth Mauron-Hemmer, stellt dem Unternehmen einen Arbeitsagogen zur Verfügung. Hier werden die Menschen mit Unterstützungsbedarf als Teil des Herzstücks der Produktionsstätte integriert, die zu diesem Zweck komplett umgestaltet wurde.

All diese spezifischen Modelle versuchen, lokal sowohl auf den Arbeitskräftemangel in bestimmten Sektoren als auch auf die geringe (oder fehlende) Inklusivität eines heute sehr selektiven Arbeitsmarktes zu reagieren, wie Thomas Jammet, Forscher an der HETS-Freiburg, in der Einleitung des Tages feststellte.

Die Herausforderungen der arbeitsmarktnahen Eingliederung

Die Diskussionen über diese verschiedenen Modelle der arbeitsmarktnahen Eingliederung ermöglichten es, auf eine Reihe von aktuellen Herausforderungen hinzuweisen, die sowohl die prekären Zielgruppen als auch die Beziehungen zu den Partnerunternehmen und die Art und Weise betreffen, wie diese verschiedenen Initiativen in der institutionellen Landschaft der Westschweiz anerkannt werden.

Für die Zielgruppen der Arbeitsintegration: von Klient*innen zu Arbeitnehmer*innen

Für die Zielgruppen der verschiedenen Modelle der arbeitsmarktnahen Eingliederung, die an der Tagung vorgestellt wurden, geht es vor allem um materielle und symbolische Anerkennung. Diese besteht darin, als Arbeitnehmer*in mit Rechten anerkannt zu werden.

„Ein Gehalt zu haben und entlohnt zu werden, auch wenn man sich „in der Eingliederung“ befindet, bleibt ein wichtiges Thema für die Mobilisierung am Arbeitsplatz. Die Anerkennung erfolgt auch über das Gefühl, einer Gemeinschaft anzugehören, die in der Arbeitswelt von Wert ist.“

 

Das Tragen der Kleidung und der „Farben“ eines Unternehmens ist im Übrigen oft gleichbedeutend mit Stolz. Der Erwerb eines Zertifikats ist nicht nur die Bestätigung von Kompetenzen, die von den Arbeitgebern gesucht wird, sondern auch die Bestätigung der Zugehörigkeit zu einer Berufsidentität. Schliesslich erscheint die Arbeitsplatzgarantie am Ende des Eingliederungsprozesses angesichts der Präsentationen an diesem Tag wie ein Sinnstifter für die Klient*innen dieser Massnahmen, indem es ihnen eine Perspektive ermöglicht, in die sie investieren können. Der zentrale Aspekt der Investition in die Zukunft der Klient*innen wurde von Paola Riva Gapagny, SP-Abgeordnete im Grossen Rat Wallis, in der Diskussionsrunde am Morgen besonders hervorgehoben.

Für Eingliederungsorganisationen

Als Vermittler des Zugangs zur Arbeitswelt sind die Eingliederungsorganisationen zu vollwertigen Partnern der Dachverbände und der Unternehmen geworden, insbesondere im Bereich der Personalrekrutierung.

Eine der Herausforderungen, die sich aus der Rolle als Vermittler ergeben, besteht darin, dass sie sich nicht auf die Rolle einer Schleuse zur Eingliederung beschränken dürfen, indem sie die gleichen Auswahlkriterien wie die Unternehmen identisch nachspielen.

Um dies zu erreichen, benötigt der Sektor eine stabile Unterstützung für die Entfaltung seiner Aktivitäten. Dies gilt für die Finanzierung, die an die Aktivierung der Personen gebunden ist und nicht an die Entwicklung von Eingliederungslösungen (mehrere Diskussionen haben in diesem Sinne gezeigt, dass es sinnvoll ist, die Eingliederung als soziale Investition zu betrachten). Die Organisation eines Kontinuums von Massnahmen auf regionaler Ebene, die in der Lage sind, die nicht linearen Wege der Begünstigten abzudecken; und schließlich die Erst- und Weiterbildung von Eingliederungsfachpersonen.

Auf der Seite der Beziehungen zu Unternehmen

Wir haben auch festgestellt, dass der erste Arbeitsmarkt derzeit eine ganze Reihe von Möglichkeiten bietet, die sowohl mit dem Arbeitskräftemangel in bestimmten Sektoren als auch mit der Ungewissheit über die Berufe der Zukunft zusammenhängen. Dieser besondere Kontext, in dem der Ruf nach hohen Qualifikationen ein ständiges Mantra ist, schafft andererseits Mangel, um auf Tätigkeiten zu reagieren, deren Qualifikation unterhalb des EFZ liegt. Die Begleitung der Zielgruppen zu diesen Beschäftigungsmöglichkeiten bedeutet auch, die Verantwortung dafür zu tragen, dass sie durch bereichsübergreifende Kompetenzen, welche an die sich schneller ändernden Anforderungen der Arbeitswelt angepasst werden können, dauerhaft bestehen können.

Die Herausforderung der Berufe der Zukunft, die noch nicht eindeutig definiert sind, aber potenziell kommen werden, stellt auch hier eine Chance für Innovationen im sinnstiftenden Bereich der Eingliederung dar.

Diese beiden Herausforderungen sind in den Unternehmen gleichermassen präsent und ermutigen sie, externe Partner zu suchen, um sie zu bewältigen. Der Anstieg der sozialen Verantwortung der Unternehmen ist ein Indikator für das Bedürfnis, auch unter „sozialen“ Gesichtspunkten zu existieren.

Experimentieren versus Institutionalisieren

Die Präsentation der französischen Eingliederungsklausel von Roberta Incandela vom Comité Bassin Emploi du Seignanx (FR) wirft für die Schweiz die Frage auf, welcher Institutionalisierungsgrad für das soziale Unternehmertum in der Arbeitsintegration erstrebenswert ist. Das zentralisierte französische Modell schafft einen weitreichenden Anreizeffekt, indem es Unternehmen, die sich um öffentliche Aufträge bewerben, zum Kauf von Eingliederungsstunden verpflichtet. Dieses standardisierte Programm lässt jedoch im Gegenzug wenig lokale Initiativen zu. Im Gegensatz dazu zeigt das Panorama der Massnahmen des sozialen Unternehmertums in der Schweiz eine ganze Reihe von Formen der lokalen Entwicklungen, die staatliche Standardfinanzierung, Wirtschaftskreise und halbstaatliche Eingliederungsorganisationen miteinander verbinden, die mit einer ganzen Reihe von Zwängen und wechselnden Möglichkeiten jonglieren. Ihr Grad der Institutionalisierung ist gering und die Programme und Organisationen sind eher prekär.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass diese Fachtagung die zentrale Rolle der Eingliederungsorganisationen hervorgehoben hat, die als wesentliche Vermittler zwischen dem ersten Arbeitsmarkt und Personen in der (Wieder-)Eingliederung fungieren. Ihre Originalität liegt nicht nur in der Begleitung der Zielgruppen in ihrer ganzen Vielfalt, sondern auch in der Unterstützung, die sie den Unternehmen bieten, indem sie ihnen helfen, sich an die aktuellen Herausforderungen des Arbeitsmarktes anzupassen, insbesondere im Bereich der Personalbeschaffung.

In diesem Sinne haben die Eingliederungsorganisationen eine entscheidende Doppelrolle zu behaupten: Während sie die Arbeitsmarktfähigkeit der von ihnen betreuten Personengruppen unterstützen, tragen sie gleichzeitig aktiv dazu bei, die Arbeitgeberfähigkeit der Unternehmen zu stärken.

Diese Unterstützungsleistungen haben ein noch nicht ausgeschöpftes Potenzial, insbesondere für Unternehmen, die noch nicht mit den Eingliederungsakteuren zusammenarbeiten. Allerdings stehen die Eingliederungsorganisationen vor mehreren Herausforderungen, wie z. B. die Sicherung ihres Fortbestands (was insbesondere durch die Gewährleistung einer stabilen Finanzierung erreicht werden kann) und eine bessere institutionelle Anerkennung. Die Weiterbildung der Fachkräfte des Sektors ist ebenfalls entscheidend, um ihre Praxis an die raschen Veränderungen des Marktes anzupassen.

Die Westschweizer Kommission für die arbeitsmarktnahe Eingliederung (CRIEC)

Die CRIEC vertritt und vereint die sozialen Unternehmen der Westschweiz, die in Programmen der Arbeitsintegration tätig sind. Ihr Ziel ist es, einen Raum für den Austausch über gute Praxis und innovative Projekte zu schaffen. Durch die Organisation von Fachtagungen und Treffen, die die Fachleute der sozialen Unternehmen in der Arbeitsintegration zusammenbringen, fördert die Fachkommission deren Professionalisierung und ermutigt zur Innovation. Diese Austauschplattform bringt Anliegen an die Öffentlichkeit und stärkt den Wissenstransfer zwischen den Akteur*innen vor Ort. Sie berät Arbeitsintegration Schweiz zu Themen im Zusammenhang mit der arbeitsmarktnahen Eingliederung und entwickelt Kooperationen mit akademischen Kreisen, um die Forschung in diesem Bereich voranzutreiben. Schliesslich ermöglicht sie die Vertretung ihrer Interessen gegenüber den Akteur*innen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Bisher existiert in der Deutschschweiz keine spezielle Fachkommission für Themen des sozialen Unternehmertums in der Arbeitsintegration. Organisationen, die daran interessiert sind, ein derartiges Projekt zu initiieren, sind eingeladen, sich mit Arbeitsintegration Schweiz in Verbindung zu setzten.

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CRIEC
↓ Journée CRIEC 2024 Présentations (PDF, 5297 KB)

Im Fokus: Sepala Megert

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«Die gute Zusammenarbeit der Akteure ist der Schlüssel zum Integrationserfolg»

Seit dem 1. September 2024 ist Sepala Megert Geschäftsleiter von Arbeitsintegration Schweiz. Mit seiner Erfahrung in den Bereichen Behinderung, soziale und berufliche Eingliederung möchte er die Zusammenarbeit und Koordination aller Akteure stärken. Eine gute Zusammenarbeit zwischen allen Akteuren ist ein Schlüsselfaktor für eine erfolgreiche Integration. Im Interview spricht er über die aktuellen Herausforderungen der Branche und seine Vision für die Zukunft.

Kannst du dich bitte so vorstellen, wie du es möchtest?

Seit September 2024 bin ich der neue Direktor von Arbeitsintegration Schweiz. Ich bin in Sri Lanka geboren und von einer Schweizer Familie adoptiert worden. Später bin ich in Bern, in den USA und in Freiburg aufgewachsen, wo ich heute lebe. Ich bin verheiratet und Vater von zwei Kindern.

Was möchtest du den Mitgliedern von Arbeitsintegration Schweiz beitragen?

Ich möchte meine Erfahrungen in den Bereichen Behinderung, Sozialarbeit und soziale und berufliche Integration nutzen, um die Herausforderungen anzugehen, mit denen die Mitglieder der AIS konfrontiert sind. Die Kombination von Fachwissen in diesen drei Bereichen ist ein Vorteil, um die Bedürfnisse im Bereich der Integration in der Schweiz zu verstehen und auf nationaler Ebene weiterzugeben.

Warum liegt dir der Bereich der Arbeitsintegration am Herzen?

Dieser Bereich liegt Mir am Herzen, weil vom Terrain komme und viel Erfahrungen mit Menschen gemacht habe. Ich habe zum Beispiel eine Person ein ganzes Jahr lang in einem Eingliederungsprogramm begleitet, und in der letzten Woche hat sie eine Arbeit gefunden. Dabei wurde mir klar, dass dieser Erfolg nicht nur von ihrer Motivation und ihren eigenen Ressourcen abhing, sondern auch von der Unterstützung der Fachleute für soziale und berufliche Eingliederung und den Möglichkeiten, die der Arbeitsmarkt bietet. Die Kombination all dieser Elemente war entscheidend für ihre Integration.

Gibt es ein Thema rund um die soziale und berufliche Eingliederung, das dich im Laufe deiner Karriere persönlich berührt hat?

Was mich immer berührt hat, ist die enge Koordination und Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Stellen und Strukturen, die notwendig sind, damit eine soziale oder berufliche Integration überhaupt gelingen kann. Genau dieses Engagement, diese Investition und die Förderung der Zusammenarbeit liegen mir besonders am Herzen.

Welche 3 Adjektive charakterisieren dich am besten?

Extrovertiert, lösungsorientiert und ein bisschen komisch.

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Im Fokus: Insertion Genève

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«Im Gespräch mit Insertion Genève»

Der Professionalisierungsprozess, die Auswirkungen der Einführung des Mindestlohns im Kanton oder auch das Treffen mit den Arbeitgeberverbänden – in ihrem Interview erzählt uns Insertion Genève von seinem Werdegang, ihren Ambitionen für die Zukunft und äussert sich zu den regionalen Herausforderungen, die sie beschäftigen.

Wie würden Sie Ihren Verband in wenigen Worten vorstellen?

Insertion Genève ist eine Vereinsstruktur, die von einem fünfköpfigen ehrenamtlichen Vorstand geleitet wird. In seinem Bestreben, den Verein zu professionalisieren, hat Insertion Genève am 1. November 2022 eine Geschäftsstelle geschaffen und Alexandra Ribi zu 40% angestellt, um die Aktivitäten des Verbands zu koordinieren. Zum heutigen Zeitpunkt vereint Insertion Genève 25 Organisationen, die im Bereich der Bildung und der sozioprofessionellen Integration im Kanton Genf tätig sind. Mit der Professionalisierung von Insertion Genève verfolgen wir das Ziel, die Interessenvertretung unserer Mitglieder gegenüber den Behörden zu stärken und mehr Dienstleistungen anzubieten.

Einige Wort zu Ihren Aktivitäten und Aktualitäten?

Die Professionalisierung von Insertion Genève ist unsere derzeitige Priorität. Wir begannen mit einer Phase, in der wir die Kontaktdaten unserer Mitglieder erfassten und aktualisierten. Anschliessend legten wir drei grosse Schritte für die Professionalisierung fest: die Verbesserung der Organisation und der allgemeinen Funktionsweise von Insertion Genève, die Erhöhung unserer Sichtbarkeit und schliesslich die Entwicklung unserer Dienstleistungen.

Wir trafen uns proaktiv mit unseren Mitgliedern, um sie besser kennen zu lernen und ihre Aktivitäten zu entdecken. Gleichzeitig entwickelten wir eine Online-Umfrage, um die Informationen in unserer Mitgliederdatenbank zu ergänzen. Eine umfangreiche Arbeit zur Sammlung und Auswertung der Daten aus den Interviews und der Online-Umfrage steht kurz vor dem Abschluss.

Wir haben auch eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, um über die Kriterien für die Mitgliedschaft und die Werte von Insertion Genève nachzudenken. Schliesslich haben wir gerade unsere LinkedIn-Seite eingerichtet, die unsere Sichtbarkeit und die Kommunikation mit unseren Mitgliedern verstärken wird.

Welche Herausforderungen beschäftigen Sie heute?

Die Problematik des Mindestlohns für den Fall von Praktika zur beruflichen Wiedereingliederung hat uns in den letzten Monaten beschäftigt. Seit der Anwendung des Mindestlohns im November 2020 in Genf hat es eine Verschärfung der vom Office cantonal de l’inspection et des relations du travail (Ocirt) ausgehenden Richtlinien gegeben, welche die Anbieter verpflichteten, ihre Praktikant:innen zum Mindestlohn zu entlöhnen.

Da einige soziale Einrichtungen nicht in der Lage waren, diese Praktika finanziell zu tragen, wurden zahlreiche Angebote gestrichen oder sind heute gefährdet, was zu Lasten der Leistungsempfänger geht.

«Insertion Genève hat sich in einer vom Departement für sozialen Zusammenhalt geleiteten Arbeitsgruppe engagiert, um einen Entwurf für ein Referenzsystem mit Kriterien für die Ausnahme vom Mindestlohn für Praktika zur sozio-professionellen Eingliederung zu erstellen.»

Insertion Genève hat sich in einer vom Departement für sozialen Zusammenhalt geleiteten Arbeitsgruppe engagiert, um einen Entwurf für ein Referenzsystem mit Kriterien für die Ausnahme vom Mindestlohn für Praktika zur sozio-professionellen Eingliederung zu erstellen.

Im Oktober 2023 beschloss der Genfer Staatsrat, seine Verordnung anzupassen. Praktika zur sozialen und beruflichen Eingliederung können künftig nach genau festgelegten Kriterien vom Mindestlohn ausgenommen werden.

Welche Herausforderungen beschäftigen Sie heute?

Insertion Genève hat Erwartungen an die Einführung einer kantonalen Eingliederungsstrategie, die gemeinsam vom Hospice général und dem OAIS ausgearbeitet wird. Insertion Genève möchte:

  • sich als Querschnittsakteur positionieren, der im Namen seiner Mitglieder handelt, um die Stärken und Ressourcen des Sektors der Arbeitsintegration in Genf aufzuzeigen;
  • als Bindeglied zwischen den Mitgliedern aller Grössen und den Institutionen (OAIS, HG bislang) fungieren;
  • dazu beitragen, dass der Sektor der Arbeitsintegration durch einen Dachverband als eigenständiger Berufssektor anerkannt wird;
  • Mandate und Aufgaben für die OAIS und das Hospice Général erfüllen und eine eminent unterstützende Rolle wahrnehmen, die zur Aufwertung der Arbeit aller ihrer Mitglieder beiträgt.

Es geht auch darum, proaktive Treffen mit den Dachverbänden der Arbeitgebenden zu führen, und zwar mit dem Ziel, den Bedarf und die Möglichkeiten in Bezug auf Zusammenarbeit, Vermittlung und kontinuierliche Verbesserung zu ermitteln. Für Insertion Genève ist es in der Tat von entscheidender Bedeutung, ihren Platz in einer reichhaltigen Wirtschaftslandschaft einzunehmen, um zur öffentlichen Debatte beizutragen und Einfluss auf Entscheidungen zu nehmen, die seine Mitglieder betreffen.

Ebenfalls in dieser Idee der Begegnungen mit den Dachverbänden des Kantons Genf planen wir insbesondere, unseren Austausch mit CAPAS (Collectif d’associations pour l’action sociale) fortzusetzen, um Leistungen zu gewährleisten, die den Bedürfnissen unserer Mitglieder so nahe wie möglich kommen. Da wir ein gemeinsames Zielpublikum haben, möchten wir ein solidarisches und kollaboratives Auftreten zwischen den Dachverbänden fördern.

Im Fokus: CRIEC

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«In der Schweiz leben wir Seite an Seite, ohne ausreichend miteinander zu sprechen»

Morgane Kuehni und Yves Ecoeur bilden die Co-Leitung der Commission romande d’insertion par l’économique (CRIEC). Sie berichten über den ungewöhnlichen Werdegang dieses Gremiums, die Herausforderungen der arbeitsmarktnahen Eingliederungsmassnahmen sowie über die Zukunftsperspektiven.

Können Sie sich in wenigen Worten vorstellen und etwas über Ihren Bezug zu den arbeitsmarktnahen Eingliederungsmassnahmen erzählen?

Yves Ecoeur: Seit über 25 Jahren bin ich im Bereich der sozialen und beruflichen Integration beim Schweizerischen Arbeiterhilfswerk (SAH) tätig, wo ich Ausbildungsprogramme, Coachingangebote und Massnahmen zur arbeitsmarktnahen Eingliederung entwickelt habe. Anfang der 2000er Jahre war ich Vizepräsident von Arbeitsintegration Schweiz, nachdem ich die Akteure der sozialen und beruflichen Integration im Wallis zu einem Verband zusammengeführt hatte. Heute bin ich Direktor des SAH Waadt, wo wir jährlich insgesamt 2’500 Teilnehmende begleiten und spezifischere Programme zur arbeitsmarktnahen Eingliederung anbieten. Viele davon haben einen starken Bezug zum ökologischen Wandel.

Morgane Kuehni: Ich bin Arbeitssoziologin und seit zehn Jahren Professorin an der Hochschule für Soziale Arbeit und Gesundheit in Lausanne (HETSL-HES-SO). Ich engagiere mich auch als Mitglied des Kompetenznetzwerks MaTISS (Marché du travail, insertion et sécurité sociale). Meine Forschungs- und Lehrschwerpunkte befassen sich mit der Politik der Aktivierung, die im Rahmen der sozialen Sicherung in der Schweiz entwickelt wurde, insbesondere in den Bereichen Arbeitslosenversicherung, Invalidenversicherung und Sozialhilfe. Die arbeitsmarktnahe Eingliederung stellt nur einen Teil der heute entwickelten Eingliederungsmassnahmen dar. Diese ist jedoch aufgrund ihrer Nähe zum oder Überschneidungen mit dem Arbeitsmarkt besonders interessant für eine Analyse.

Was ist die Geschichte hinter der Gründung der CRIEC? Warum wurde sie ins Leben gerufen?

Yves Ecoeur: Alles begann mit der Erkenntnis, dass es wichtig ist, Eingliederungsprogramme zu entwickeln, die einen starken Bezug zu den realen Arbeitsbedingungen aufweisen. Durch Praktika in Privatunternehmen oder auch durch den Aufbau von Sozialunternehmen werden die Teilnehmenden in realitätsnahe Arbeitssituationen gebracht und erwerben berufliche Kompetenzen.

Ende der Neunzigerjahre haben verschiedene Akteure aus der Romandie gemeinsam über die Thematik der arbeitsmarktnahen Eingliederung nachgedacht. Wir gingen zu den frankophonen Treffen der Sozialwirtschaft, einmal in Belgien und einmal in Montreal. Die Notwendigkeit, sich zu organisieren, wurde dann deutlich. In diesem Zusammenhang wurde der Conseil romand d’insertion par l’économique, der Vorläufer der CRIEC, ins Leben gerufen. Im gleichen Zeitraum hatten wir vom SAH 1999 in Freiburg die erste nationale Fachtagung der Eingliederungsunternehmen organisiert. Erst vor kurzem hat CRIEC einen weiteren Schritt getan und sich Arbeitsintegration Schweiz angeschlossen, um die Zusammenarbeit über eine formelle Kommission innerhalb des Dachverbands zu institutionalisieren Dieser Zusammenschluss führt zu wertvollen Synergien.

«Auf der einen Seite profitiert Arbeitsintegration Schweiz von Fachwissen aus erster Hand über die arbeitsmarktnahe Eingliederung; auf der anderen Seite gewinnt CRIEC an Sichtbarkeit und Legitimität.»

Welche Hauptziele verfolgt die Fachkommission ganz allgemein?

Morgane Kuehni: Die CRIEC ist in erster Linie ein Ort der Diskussion und Begegnung, der den Fachaustausch zwischen Fachpersonen aus der Westschweiz fördern soll. Um diese Aufgabe zu erfüllen, haben wir uns zum Ziel gesetzt, thematische Treffen zu organisieren, die sich mit der arbeitsmarktnahen Eingliederung befassen. Zweitens will CRIEC die verschiedenen Interessengruppen, darunter politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger, für bestimmte aktuelle Herausforderungen im Bereich der arbeitsmarktnahen Eingliederung sensibilisieren. Ziel ist es, die Anliegen des “Terrains” zu dokumentieren und über die Herausforderungen zu informieren mit denen die Fachkräfte oder die teilnehmenden Personen konfrontiert sind. Schliesslich möchten wir den Austausch auf nationaler und internationaler Ebene dynamisieren, indem wir die Interaktionen innerhalb der Gemeinschaft und mit den professionellen und akademischen Netzwerken, die in diesem Bereich aktiv sind, verstärken.

Welches sind derzeit die grossen Herausforderungen für die arbeitsmarktnahe Eingliederung?

Morgane Kuehni: Das ist eine grosse Frage! Es ist nicht einfach, sie kurz und bündig zu beantworten, denn sie hängt vom Standpunkt ab, von dem aus man sie betrachtet. Zunächst einmal gibt es auf politischer Ebene keinen wirklichen Konsens: Was soll mit der arbeitsmarktnahen Eingliederung erreicht werden? Eine Rückkehr in den regulären Arbeitsmarkt oder in einen subventionierten Arbeitsplatz, der es ermöglicht, unter anderen Bedingungen als denen des Marktes zu arbeiten? In der Schweiz existieren heute mehrere Modelle nebeneinander.

Wenn man die Perspektive der Organisatoren und Organisatorinnen von Massnahmen einnimmt, sind die Herausforderungen der Finanzierung besonders hervorzuheben. Sozialunternehmen basieren auf einem gemischten Geschäftsmodell mit einer Finanzierung, die vom Markt und von staatlichen Subventionen kommt. Die Bedingungen für die finanzielle Unterstützung variieren je nach Kanton, den betroffenen Zielgruppen (Sozialhilfe, Arbeitslosigkeit, Invalidenversicherung) oder auch der wirtschaftlichen Situation, z. B. der Arbeitslosenquote. Hinzu kommen weitere organisatorische Herausforderungen, insbesondere der Wettbewerb zwischen den Organisatoren und Organisatorinnen von Massnahmen, das wirtschaftliche Konkurrenzverbot oder auch das Profil der betreuten Zielgruppen und die Art des vom Staat erteilten Mandats.

Für die Fachkräfte im Bereich der Eingliederung sind die Herausforderungen noch anders gelagert, da sie zwei Ziele verfolgen. Einerseits geht es darum, Güter und Dienstleistungen zu produzieren, die auf dem Markt verkauft werden müssen, und andererseits darum, die “Arbeitsmarktfähigkeit” von Personen, die vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind, zu begleiten und/oder zu stärken. Diese Menschen befinden sich mitunter in sehr komplexen Situationen, einige haben viele Erwartungen und andere viele Ängste. Für die Fachpersonen∙der Eingliederung ist der Mangel an Ressourcen und insbesondere der Zeitmangel eine entscheidende Herausforderung. Tatsächlich sind die Massnahmen häufig zeitlich begrenzt (3, 6 oder 12 Monate) und werden in einigen Fällen bewertet, z. B. auf der Grundlage einer Wiedereingliederungsquote.

«Es ist eine echte Jonglierarbeit, die in diesem Zeitraum in Gang gesetzt wird, zwischen den Aufgaben der Begleitung, der Ausbildung, der Akquise von Arbeitsplätzen oder auch dem Verfassen von Berichten für die Mandatsträger.»

Für die Leistungsempfänger stehen noch einmal andere Herausforderungen im Vordergrund. Sie arbeiten unter Bedingungen, die sich meist von denen des Marktes unterscheiden, was Arbeitsverträge, Bezahlung, Karriereaussichten und im weiteren Sinne die Anerkennung ihres Engagements betrifft. Die Statusfragen sind meist wichtig: Bin ich wirklich ein/e Arbeitnehmer/in wie ein/e∙andere/r, wenn meine Arbeitsbedingungen so unterschiedlich sind? Die Antwort ist nicht einfach und die Erfahrungen sind je nach Situation sehr unterschiedlich. Auf der negativen Seite steht das Gefühl der Ausbeutung und die Gefahr der Stigmatisierung, auf der positiven Seite das Gefühl der Nützlichkeit und Zugehörigkeit, der Tagesstruktur, des Lernens usw.

Was wünschen Sie sich für die zukünftige Entwicklung dieser Fachkommission?

Yves Ecoeur: Zum einen möchte ich den Kreis der CRIEC erweitern und diversifizieren, indem wir andere Westschweizer Akteure und Akteurinnen der arbeitsmarktnahen Eingliederung einbeziehen. Einige Westschweizer Kantone sind noch nicht in der Kommission vertreten. Andererseits bin ich der Meinung, dass ein Dialog mit anderen gleichartigen Organisationen in der Deutschschweiz aufgenommen werden sollte. Wie in vielen Bereichen in der Schweiz leben wir nebeneinander, aber ohne ausreichenden Dialog. In dieser Hinsicht leistet Arbeitsintegration Schweiz eine sehr gute Arbeit, um den Austausch zwischen den Akteuren und Akteurinnen der Eingliederung zu fördern.

«Die CRIEC muss eine Vorreiterrolle spielen, um die Anliegen der arbeitsmarktnahen Eingliederung aus dem Feld nach oben zu bringen.»

Ich wünsche mir, dass wir durch Arbeitsintegration Schweiz die legitime Stimme der arbeitsmarktnahen Eingliederung gegenüber den Entscheidungsträgern und Entscheidungsträgerinnen auf der Ebene der Verwaltung und der Politik verkörpern. Schliesslich muss ein Dialog mit den Hochschulen entwickelt werden, um die aktuellen Praktiken zu evaluieren und die Akteure anzuregen, unter Berücksichtigung der globalen Grenzen neue Instrumente der arbeitsmarktnahen Eingliederung zu schaffen.

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Die Anzahl der Mitglieder von Arbeitsintegration Schweiz, die Güter oder Dienstleistungen anbieten, die ein wirtschaftliches Einkommen generieren.

Die Commission romande d’insertion par l’économique (CRIEC)

Die CRIEC vertritt und vereint die Westschweizer Organisationen, die in Programmen zur arbeitsmarktnahen Eingliederung tätig sind. Ihr Ziel ist es, einen Raum für den Austausch von Best Practices und innovativen Projekten zu schaffen. Durch die Organisation von Fachtagungen und Austauschtreffen, welche die Fachleute der wirtschaftlichen Eingliederung zusammenbringen, fördert die Fachkommission deren Professionalisierung und ermutigt zur Innovation. Diese Austauschplattform bringt Anliegen an die Öffentlichkeit und stärkt den Wissenstransfer zwischen den Akteurinnen und Akteuren vor Ort. Sie berät Arbeitsintegration Schweiz zu Themen im Zusammenhang mit der arbeitsmarktnahen Eingliederung und entwickelt Kooperationen mit akademischen Kreisen, um die Forschung in diesem Bereich zu stimulieren. Schliesslich ermöglicht sie die Vertretung ihrer Interessen gegenüber den Akteur:innen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Bisher gibt es in der Deutschschweiz keine Fachkommission für die arbeitsmarktnahe Eingliederung. Organisationen, die daran interessiert sind, ein solches Projekt zu lancieren, werden gebeten, sich mit Arbeitsintegration Schweiz in Verbindung zu setzen.

Im Fokus: Jugend und SEMO

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«Der regelmässige Austausch fördert die Verbreitung von Best Practices»

Die Gründung der Fachkommission Jugend-SEMO bietet für Christine Gfeller, Leiterin eines Motivationssemesters in Biel, die Gelegenheit, über die Entwicklung der SEMO und die Herausforderungen bei der Eingliederung von Jugendlichen zu sprechen. Sie berichtet dabei auch über die Rolle der neuen Kommission und deren Ziele.

Erzählen Sie doch bitte kurz, wer Sie sind und welche Funktion Sie in Ihrem SEMO haben?

Mein Name ist Christine Gfeller. Seit 14 Jahren bin ich für das zweisprachige Motivationssemester in Biel verantwortlich. Vorher war ich als Lehrerin/Ausbildinderin in einer IV-Ausbildungsinstitution tätig. In dieser Zeit bildete ich mich zur Heilpädagogin weiter, mit dem Ziel, die Jugendlichen und jungen Erwachsenen in ihren Möglichkeiten und Bedürfnissen noch besser begleiten zu können. Damals haben mich zwei Sachen geprägt: Das erste war, wie sehr mir die Arbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen am Herzen lag. Das zweite war, wie spannend es ist, diese Altersgruppe auf ihrem Weg in die Arbeitswelt zu begleiten. Mein Team im SEMO besteht aus Lehrer:innen, Arbeitsagog:innen, Sozialarbeiter:innen / – pädagog:innen und auch Psycholog:innen.

«Die Vielfalt und die ganzheitliche Begleitung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Rahmen des SEMO gefällt mir sehr gut und macht meine Arbeit spannend.»

Wie sind die Motivationssemester entstanden?

In den 1990er Jahren war die Jugendarbeitslosigkeit in der Schweiz sehr hoch. Als Reaktion darauf forderte das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) die Kantone auf, Unterstützungsprogramme für arbeitslose Jugendliche ohne Ausbildung einzuführen – Die Motivationssemester /SEMO wurden ins Leben gerufen. Es handelt sich dabei um ein Programm zur beruflichen Eingliederung, das von der Arbeitslosenversicherung finanziert wird. Im Kanton Bern beteiligt sich auch die Gesundheits-, Sozial- & Integrationsdirektion (GSI) an den Kosten. Die SEMO sollen Jugendlichen zwischen 15 und 25 Jahren, die nach der obligatorischen Schule keine Lösung finden, eine Ausbildung ermöglichen und ihnen einen Platz auf dem Arbeitsmarkt verschaffen.

Im 2023 wurde eine neue Fachkommission Jugend-SEMO für die Deutschschweiz innerhalb von Arbeitsintegration Schweiz ins Leben gerufen. Was ist die Geschichte hinter der Gründung dieser Fachkommission? Warum wurde sie gegründet?

Vor 30 Jahren, als die Motivationssemester eingeführt wurden, hatte das SECO die federführende Rolle zur Koordination der SEMO in der Schweiz. Es ist wichtig zu verstehen, dass die Weisungen für die Organisation der SEMO vom SECO erlassen werden, während ihre Umsetzung in der Verantwortung der Kantone liegt. Diese Situation führt zu unterschiedlichen Praktiken und Angeboten in den einzelnen Kantonen. Der Auftrag ist derselbe, aber die Praxis ist unterschiedlich. Aus diesem Grund hatte das SECO einen Koordinator beauftragt, zweimal jährlich einen Praxisaustausch zwischen den kantonalen SEMO-Verantwortlichen zu organisieren und Weiterbildungen speziell für die SEMO-Mitarbeitenden anzubieten. Vor einigen Jahren beschloss das SECO, die Verantwortung der Durchführung vollumfänglich an die Kantone zu übertragen. In der Folge wurde die Koordinationsstelle abgeschafft.

«Als Reaktion auf diese Abschaffung haben wir uns jedoch vorgenommen, uns weiterhin zu treffen, da der Austausch wertvoll war, um unsere Ressourcen zu bündeln und Synergien zu identifizieren»

Nach und nach kam in dieser Vernetzungsgruppe der Wunsch nach mehr Stabilität auf. Wir haben deshalb Kontakt zu AIS aufgenommen und zusammen festgestellt, dass die Gründung einer Fachkommission die beste Option war, um unsere gemeinsamen Ziele zu erreichen.

Apropos: Was sind die Hauptziele der Fachkommission? Welche Lücke füllt sie?

Erstens ist es zentral, durch Fachtagungen, Austauschtreffen und Weiterbildungen ein Netzwerk zwischen den SEMO-Akteuren und – Akteurinnen aufzubauen und zu pflegen. Bei unseren Austauschsitzungen sind fast alle deutschsprachigen Kantone vertreten.

«Dieser regelmässige Austausch fördert die Verbreitung von Ideen und Best Practice.»

Auf der Basis dieser Vernetzung finden immer wieder auch bilaterale Kontakte und Gespräche zu spezifischen Themen statt. So wurde ich zum Beispiel vor zirka einem Jahr vom Vertreter des Kantons Graubünden angerufen, welcher mehr über das im Kanton Bern vorhandene niederschwellige SEMO-Programm erfahren wollte. Dieses Angebot richtet sich an Jugendliche und junge Erwachsene, die noch nicht bereit sind, eine Berufsausbildung zu beginnen und Unterstützung beim Aufbau von beruflichen Grundkompetenzen benötigen.

Mein Kollege aus Graubünden hat sich mit der Machbarkeit, eines solchen Programms in seinem Kanton auseinandergesetzt. Ich konnte ihm Infos und Zahlen zur Umsetzung der niederschwelligen SEMO-Angebote im Kanton Bern vermitteln. So hatte er zusätzliche Argumente, um die Auftraggeber in seinem Kanton vom Mehrwert eines solchen Angebots zu überzeugen.

Es gibt aktuell allgemein viele freie Lehrstellen. Wer über die geforderte Grundarbeitsfähigkeit und realistische Berufswünsche verfügt, hat im Allgemeinen sehr gute Chancen, einen Ausbildungsplatz zu finden. Ein grosser Teil der Jugendlichen, die heute ein SEMO besuchen, haben schwere Rucksäcke mit verschiedensten Problematiken und Herausforderungen, welche sie zu bewältigen haben. Dieser Tatsache gilt es in der Begleitung Rechnung zu tragen. Entsprechende Anpassungen sind wichtig. Manchmal müssen auf dem Weg zu einer Lehrstelle sinnvollerweise nützliche Zwischenschritte angestrebt werden. Unser Auftrag ist seit langem derselbe, aber unsere Klientel hat sich verändert. Weiterentwicklung und Anpassung unserer Angebote sind entsprechend zentral. Unter anderem angesichts dieser Situation ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir uns bei der Formulierung von Anliegen und Forderungen an das SECO kantonsübergreifend zusammenschliessen und die Situation in der Praxis mit einer Stimme vertreten.

«Als Kommission von Arbeitsintegration Schweiz zusammenzukommen, verleiht unseren Aussagen eine zusätzliche Legitimität.»

Sie sagen, dass sich die Klientel der SEMO verändert hat. Welche Entwicklungen haben Sie in den letzten Jahren beobachtet?

Seit mehreren Jahren beobachten wir, dass die Problematik der psychischen Gesundheit bei Jugendlichen immer mehr an Bedeutung gewinnt. Das war schon vor der Pandemie der Fall, aber COVID hat das Phänomen noch verstärkt. Die Angebote müssen sich an die besonderen Bedürfnisse von Jugendlichen mit psychischen Gesundheitsproblemen anpassen. Die zweite grosse Entwicklung, die zu beobachten ist, hängt mit der Migration zusammen. Mit den Flüchtlingswellen sind viele Jugendliche zwischen 15 und 25 Jahren in die Schweiz gekommen, darunter auch unbegleitete Minderjährige.

«Wir sind dann mit den Herausforderungen des Spracherwerbs, der kulturellen Unterschiede und der Bewältigung der mit dem Migrationsweg verbundenen Traumata konfrontiert.»

Schliesslich haben wir regelmässiger Jugendliche im SEMO, bei welchen eine Unterstützung der IV während der Berufsausbildung angezeigt ist. Zum Beispiel Jugendlichen mit Asperger-Syndrom, ADS oder anderen länger andauernden psychischen Einschränkungen) bieten wir dann Begleitung bei einer IVAnmeldung oder arbeiten mit bereits involvierten Fachpersonen der IV zusammen.

Natürlich gab und gibt es auch Jugendliche, welche absolut bereit sind für den Einstieg in die Ausbildung, die jedoch trotz zahlreicher Bewerbungen einfach «glücklos» noch keine positive Antwort erhalten haben. Diese sind dann meist auch nicht sehr lange auf unsere Unterstützung angewiesen.

«Wir sind dann mit den Herausforderungen des Spracherwerbs, der kulturellen Unterschiede und der Bewältigung der mit dem Migrationsweg verbundenen Traumata konfrontiert.»

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Mitgliedsorganisationen von Arbeitsintegration Schweiz sind in der sozialen und beruflichen Integration von Jugendlichen tätig.

Fachkommission Jugend-SEMO

Die Fachkommission Jugend-SEMO vertritt die Deutschschweizer Mitglieder, die Programme zur sozialen und beruflichen Integration von Jugendlichen anbieten. Sie wurde im Januar 2023 gegründet und hat ihre Wurzeln in der Zeit, als die Motivationssemester eingeführt wurden. Ihr Ziel ist es, die Akteure und Akteurinnen in der sozialen und beruflichen Integration von Jugendlichen in der Deutschschweiz zu vernetzen, um einen Austausch von Erfahrungen und Best Practices zu ermöglichen. Durch die Organisation von Tagungen und Treffen, welche die Fachleute zusammenbringen, fördert die Fachkommission deren Professionalisierung und ermutigt zur Innovation. Diese Austauschplattform bringt die Anliegen und das Wissen der Akteure vor Ort ein. Sie berät Arbeitsintegration Schweiz zu Themen im Zusammenhang mit der sozialen und beruflichen Integration von Jugendlichen und den Motivationssemestern. Schliesslich ermöglicht sie die Vertretung ihrer Interessen gegenüber den Akteuren:innen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zurzeit gibt es in der Romandie keine Fachkommission Jugend und SEMO. Organisationen, die daran interessiert sind, ein solches Projekt zu starten, sind eingeladen, mit Arbeitsintegration Schweiz Kontakt aufzunehmen.

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