Arbeitsmarktnahe Eingliederung: Win-Win-Situation bei der Zusammenarbeit zwischen dem ersten und dem zweiten Arbeitsmarkt?
Der Sektor der arbeitsmarktnahen Eingliederung hat sich in der Schweiz seit Anfang der 2000er Jahre stark entwickelt. Zertifizierende Ausbildungen, Praktika oder auch integrierte Werkstätten – die Eingliederung hat sehr unterschiedliche Formen angenommen, die jedes Mal eine andere Beziehung zum Arbeitsmarkt voraussetzen. Die Zusammenarbeit mit den Unternehmen ist jedoch nach wie vor experimentell, sehr lokal oder sogar fallbezogen.
Im Gegensatz zu Frankreich, die mit der zentralen Einführung der Sozialklausel zur Eingliederung in den 1990er Jahren die Unternehmen, die sich um öffentliche Aufträge bewerben, dazu verpflichtet, Eingliederungsstunden zu „kaufen“, scheint die Schweiz im Bereich der arbeitsmarktnahen Eingliederung sehr wenig institutionalisiert zu sein. Dies lässt einerseits Raum für Innovationen, wirft aber andererseits eine Reihe von übergreifenden Herausforderungen auf, die klare institutionelle Antworten erfordern.
Welche Modelle der Zusammenarbeit zwischen dem ersten und zweiten Arbeitsmarkt und den Vermittlungsstellen sind also möglich? Welches sind die zentralen Herausforderungen dieser Erfahrungen, die heute in der Schweiz spürbar sind?
Die Galaxie der Modelle der arbeitsmarktnahen Eingliederung
Am Ende dieses Tages können wir feststellen, dass die Galaxie der Massnahmen zur Förderung der beruflichen (Wieder-) Eingliederung heute von den Einrichtungen des zweiten Arbeitsmarktes ausgeht und sich in einem Kontinuum bis in den Kern des ersten Arbeitsmarktes erstreckt.
Personen ausserhalb des Arbeitsmarktes frühzeitig vorbereiten
Das erste Modell ist das der Sozialunternehmen, das darauf abzielt, den Erwerb und die Entwicklung der auf dem Arbeitsmarkt geforderten Kompetenzen zu fördern, allerdings in einem separaten Rahmen, der als „zweiter Arbeitsmarkt“ bezeichnet wird. Daher müssen Sozialunternehmen die Rahmenbedingungen ihrer Arbeit ständig an die fachlichen Erwartungen der Branchen, die sie vertreten, anpassen. Sie stehen auch im Zentrum zahlreicher, manchmal widersprüchlicher Anforderungen, wie Luis Vaudan-Bellaro von SAH Wallis aufzeigen konnte:
Aus derselben Perspektive schlägt COREM Siders, vertreten durch Céline Splivalo, vor, dieKlient*innen in mehreren Etappen auf eine Zertifizierung im Pflegebereich vorzubereiten. Dies ist insbesondere für Migrant*innen ein idealer Weg, indem sie durch Französischkurse in Zusammenarbeit mit dem Roten Kreuz und den Pflegeheimen auf den Eintritt in eine Ausbildung vorbereitet werden. Ein ähnliches Modell, das in Zusammenarbeit zwischen dem Kanton Wallis, insbesondere dem Amt für Asyl und der Hotel & Gastro Ausbildung eingeführt wurde, fördert die „Institutionelle Anerkennung der Berufspraxis“. RI-PP auf Französisch ist zwar kein sehr glückliches Akronym, wie Stève Delasoie, Präsident von Hotel & Gastroausbildung Wallis, einräumte, aber es bezeichnet eine massgeschneiderte Zertifizierung im Service und in der Küche, um die Integration prekärer Bevölkerungsgruppen, die auf Arbeitssuche sind, zu erleichtern.
Interventionen auf der Angebotsseite
Die zweite grosse Form der arbeitsmarktnahen Eingliederung besteht darin, durch die Einführung flexibler und zielgerichteter Massnahmen, an denen häufig Eingliederungsorganisationen, Unternehmen und der Staat beteiligt sind, in das Arbeitsangebot einzugreifen.
Dies ist der Fall bei dem von Evelyne Imbalzano und Dominique Wohlhauser vorgestellten Programm «Praktikant*innen in Übergangsphasen», das 2009 von der COOP ins Leben gerufen wurde und sich an Jugendliche richtet, die Schwierigkeiten in der Schule und/oder beim Einstieg in den Arbeitsmarkt haben. Dieses Programm bietet im Rahmen von 10 Monaten bezahlter Praktika einen umgekehrten Weg zur Ausbildung. Am Ende dieser Berufserfahrung ist es das Ziel, dass die Jugendlichen eine Lehrstelle erhalten, die von COOP garantiert wird, wenn die Person das Praktikum erfolgreich abschliesst. Job Service koordiniert diese Massnahme im Kanton Neuenburg und arbeitet mit dem Kanton und den Berufszentren zusammen, um Vorbereitungskurse für den Eintritt in eine Berufslehre einzurichten.
Um dem Personalmangel im medizinischen Verwaltungsbereich vorzubeugen, stellte Christelle Krieg die CEAA-Massnahmen des CHUV in Zusammenarbeit mit dem Kanton Waadt vor. Letzterer finanziert die zehnmonatige duale Ausbildung von Personen, die Sozialhilfe beziehen, mit einem im Krankenhaussystem anerkannten internen Ausbildungszertifikat und einer anschliessenden Anstellung.
Prolog-emploi schliesslich ist als Eingliederungsorganisation im Sozial- und Gesundheitsbereich des Kantons Waadt tätig und bietet zehnmonatige befristete Verträge (CDD) für Sozialhilfeempfänger*innen an. Der Staat finanziert die Begleitung und Einstellung der von der Eingliederungsmassnahme betroffenen Personen im Vorfeld, und ein von den Organisationen der Branche gespeister Fonds finanziert die Löhne.
In allen drei Beispielen ist die Steuerung der Systeme gemischt und berücksichtigt die Vorgaben der verschiedenen Netzwerkpartner.
Erweiterung des HR-Bereichs
Die Sorge um die Eingliederung, sei es bei der Einstellung neuer Mitarbeiter*innen oder bei der Frage der Weiterbeschäftigung (z.B. bei gesundheitlichen Problemen), ist in den Unternehmen des ersten Arbeitsmarktes immer wichtiger. Dieses Anliegen führt zu Eingliederungsprojekten, die häufig in Form einer Ausweitung der HR-Abteilung auf die Frage der Eingliederung ausgestaltet sind. Je nach Bedarf werden Kooperationen mit staatlichen oder halbstaatlichen Einrichtungen geknüpft.
Dies ist der Fall bei einer zweiten Initiative des CHUV, die von Christelle Krieg vorgestellt wurde. Die sogenannte Wiedereingliederungseinrichtung interveniert rasch bei gesundheitlichen Problemen von Mitarbeiter*innen, die sich insbesondere durch eine längere Abwesenheit von der Arbeit bemerkbar machen. Dieser Ansatz versucht, die Bedingungen für eine Rückkehr an den Arbeitsplatz zu schaffen, indem je nach Situation ein Netzwerk von Partnern mobilisiert wird (AI, Pensionskasse, Arbeitsmedizin, Ergonomie, Arbeitspsychologie, Mediation usw.).
In die gleiche Richtung geht die Präsentation von Simon Ammann von MIGROS, der ebenfalls aufzeigt, wie das Unternehmen die fehlende IT-Kompetenzen seiner Angestellten durch Weiterbildungen bekämpfen kann, um deren Disqualifizierung und den Ausschluss aus dem Arbeitsmarkt zu verhindern.
Das von Philippe Curty vorgestellte Modell der Herstellung von elektrischen Schalttafeln durch Gruppe E und die Einrichtung einer internen Abteilung für Menschen mit psychischen Behinderungen als Zulieferer ist das letzte Modell zur Ausweitung der Rekrutierung. Das CISP von Freiburg, vertreten durch seine Direktorin Elisabeth Mauron-Hemmer, stellt dem Unternehmen einen Arbeitsagogen zur Verfügung. Hier werden die Menschen mit Unterstützungsbedarf als Teil des Herzstücks der Produktionsstätte integriert, die zu diesem Zweck komplett umgestaltet wurde.
All diese spezifischen Modelle versuchen, lokal sowohl auf den Arbeitskräftemangel in bestimmten Sektoren als auch auf die geringe (oder fehlende) Inklusivität eines heute sehr selektiven Arbeitsmarktes zu reagieren, wie Thomas Jammet, Forscher an der HETS-Freiburg, in der Einleitung des Tages feststellte.
Die Herausforderungen der arbeitsmarktnahen Eingliederung
Die Diskussionen über diese verschiedenen Modelle der arbeitsmarktnahen Eingliederung ermöglichten es, auf eine Reihe von aktuellen Herausforderungen hinzuweisen, die sowohl die prekären Zielgruppen als auch die Beziehungen zu den Partnerunternehmen und die Art und Weise betreffen, wie diese verschiedenen Initiativen in der institutionellen Landschaft der Westschweiz anerkannt werden.
Für die Zielgruppen der Arbeitsintegration: von Klient*innen zu Arbeitnehmer*innen
Für die Zielgruppen der verschiedenen Modelle der arbeitsmarktnahen Eingliederung, die an der Tagung vorgestellt wurden, geht es vor allem um materielle und symbolische Anerkennung. Diese besteht darin, als Arbeitnehmer*in mit Rechten anerkannt zu werden.
Das Tragen der Kleidung und der „Farben“ eines Unternehmens ist im Übrigen oft gleichbedeutend mit Stolz. Der Erwerb eines Zertifikats ist nicht nur die Bestätigung von Kompetenzen, die von den Arbeitgebern gesucht wird, sondern auch die Bestätigung der Zugehörigkeit zu einer Berufsidentität. Schliesslich erscheint die Arbeitsplatzgarantie am Ende des Eingliederungsprozesses angesichts der Präsentationen an diesem Tag wie ein Sinnstifter für die Klient*innen dieser Massnahmen, indem es ihnen eine Perspektive ermöglicht, in die sie investieren können. Der zentrale Aspekt der Investition in die Zukunft der Klient*innen wurde von Paola Riva Gapagny, SP-Abgeordnete im Grossen Rat Wallis, in der Diskussionsrunde am Morgen besonders hervorgehoben.
Für Eingliederungsorganisationen
Als Vermittler des Zugangs zur Arbeitswelt sind die Eingliederungsorganisationen zu vollwertigen Partnern der Dachverbände und der Unternehmen geworden, insbesondere im Bereich der Personalrekrutierung.
Um dies zu erreichen, benötigt der Sektor eine stabile Unterstützung für die Entfaltung seiner Aktivitäten. Dies gilt für die Finanzierung, die an die Aktivierung der Personen gebunden ist und nicht an die Entwicklung von Eingliederungslösungen (mehrere Diskussionen haben in diesem Sinne gezeigt, dass es sinnvoll ist, die Eingliederung als soziale Investition zu betrachten). Die Organisation eines Kontinuums von Massnahmen auf regionaler Ebene, die in der Lage sind, die nicht linearen Wege der Begünstigten abzudecken; und schließlich die Erst- und Weiterbildung von Eingliederungsfachpersonen.
Auf der Seite der Beziehungen zu Unternehmen
Wir haben auch festgestellt, dass der erste Arbeitsmarkt derzeit eine ganze Reihe von Möglichkeiten bietet, die sowohl mit dem Arbeitskräftemangel in bestimmten Sektoren als auch mit der Ungewissheit über die Berufe der Zukunft zusammenhängen. Dieser besondere Kontext, in dem der Ruf nach hohen Qualifikationen ein ständiges Mantra ist, schafft andererseits Mangel, um auf Tätigkeiten zu reagieren, deren Qualifikation unterhalb des EFZ liegt. Die Begleitung der Zielgruppen zu diesen Beschäftigungsmöglichkeiten bedeutet auch, die Verantwortung dafür zu tragen, dass sie durch bereichsübergreifende Kompetenzen, welche an die sich schneller ändernden Anforderungen der Arbeitswelt angepasst werden können, dauerhaft bestehen können.
Die Herausforderung der Berufe der Zukunft, die noch nicht eindeutig definiert sind, aber potenziell kommen werden, stellt auch hier eine Chance für Innovationen im sinnstiftenden Bereich der Eingliederung dar.
Diese beiden Herausforderungen sind in den Unternehmen gleichermassen präsent und ermutigen sie, externe Partner zu suchen, um sie zu bewältigen. Der Anstieg der sozialen Verantwortung der Unternehmen ist ein Indikator für das Bedürfnis, auch unter „sozialen“ Gesichtspunkten zu existieren.
Experimentieren versus Institutionalisieren
Die Präsentation der französischen Eingliederungsklausel von Roberta Incandela vom Comité Bassin Emploi du Seignanx (FR) wirft für die Schweiz die Frage auf, welcher Institutionalisierungsgrad für das soziale Unternehmertum in der Arbeitsintegration erstrebenswert ist. Das zentralisierte französische Modell schafft einen weitreichenden Anreizeffekt, indem es Unternehmen, die sich um öffentliche Aufträge bewerben, zum Kauf von Eingliederungsstunden verpflichtet. Dieses standardisierte Programm lässt jedoch im Gegenzug wenig lokale Initiativen zu. Im Gegensatz dazu zeigt das Panorama der Massnahmen des sozialen Unternehmertums in der Schweiz eine ganze Reihe von Formen der lokalen Entwicklungen, die staatliche Standardfinanzierung, Wirtschaftskreise und halbstaatliche Eingliederungsorganisationen miteinander verbinden, die mit einer ganzen Reihe von Zwängen und wechselnden Möglichkeiten jonglieren. Ihr Grad der Institutionalisierung ist gering und die Programme und Organisationen sind eher prekär.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass diese Fachtagung die zentrale Rolle der Eingliederungsorganisationen hervorgehoben hat, die als wesentliche Vermittler zwischen dem ersten Arbeitsmarkt und Personen in der (Wieder-)Eingliederung fungieren. Ihre Originalität liegt nicht nur in der Begleitung der Zielgruppen in ihrer ganzen Vielfalt, sondern auch in der Unterstützung, die sie den Unternehmen bieten, indem sie ihnen helfen, sich an die aktuellen Herausforderungen des Arbeitsmarktes anzupassen, insbesondere im Bereich der Personalbeschaffung.
Diese Unterstützungsleistungen haben ein noch nicht ausgeschöpftes Potenzial, insbesondere für Unternehmen, die noch nicht mit den Eingliederungsakteuren zusammenarbeiten. Allerdings stehen die Eingliederungsorganisationen vor mehreren Herausforderungen, wie z. B. die Sicherung ihres Fortbestands (was insbesondere durch die Gewährleistung einer stabilen Finanzierung erreicht werden kann) und eine bessere institutionelle Anerkennung. Die Weiterbildung der Fachkräfte des Sektors ist ebenfalls entscheidend, um ihre Praxis an die raschen Veränderungen des Marktes anzupassen.
Die Westschweizer Kommission für die arbeitsmarktnahe Eingliederung (CRIEC)
Die CRIEC vertritt und vereint die sozialen Unternehmen der Westschweiz, die in Programmen der Arbeitsintegration tätig sind. Ihr Ziel ist es, einen Raum für den Austausch über gute Praxis und innovative Projekte zu schaffen. Durch die Organisation von Fachtagungen und Treffen, die die Fachleute der sozialen Unternehmen in der Arbeitsintegration zusammenbringen, fördert die Fachkommission deren Professionalisierung und ermutigt zur Innovation. Diese Austauschplattform bringt Anliegen an die Öffentlichkeit und stärkt den Wissenstransfer zwischen den Akteur*innen vor Ort. Sie berät Arbeitsintegration Schweiz zu Themen im Zusammenhang mit der arbeitsmarktnahen Eingliederung und entwickelt Kooperationen mit akademischen Kreisen, um die Forschung in diesem Bereich voranzutreiben. Schliesslich ermöglicht sie die Vertretung ihrer Interessen gegenüber den Akteur*innen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Bisher existiert in der Deutschschweiz keine spezielle Fachkommission für Themen des sozialen Unternehmertums in der Arbeitsintegration. Organisationen, die daran interessiert sind, ein derartiges Projekt zu initiieren, sind eingeladen, sich mit Arbeitsintegration Schweiz in Verbindung zu setzten.